19. Februar 2005
Ein Auto Baujahr 1967 mit einem heutigen Fahrzeug vergleichen – geht das überhaupt? Natürlich nur mit Abstrichen, da in den letzten dreißig Jahren schon gewaltige Fortschritte im Automobilbau gemacht wurden. Letztendlich zählt jedoch die Alltagstauglichkeit, Zweckmäßigkeit und der Spaßfaktor der Fahrzeuge, und die ist in weiten Teilen unabhängig vom Fortschritt. Als Fahrer einer FIAT barchetta und eines 850 Spider Serie I will ich einen subjektiven Vergleich ziehen.
Nachdem ich von 1987 bis 1989 einen Serie II-Spider gefahren hatte, war der von meinem Vater geerbte FIAT-Virus – ich wuchs praktisch in mehreren 1200/1500er-Limousinen auf – endgültig ausgebrochen. Bis 1997 folgte eine FIAT- beziehungsweise Auto-lose Zeit – beziehungsweise mit dem meiner Freundin und meines Arbeitgebers. Als ich mich als freier Journalist selbständig machte, benötigte ich ein eigenes Auto und es war schnell klar, das die Wahl auf die barchetta fällen würde. Meine Kriterien waren sehr einfach: Billig sollte das Auto sein, aus deutscher oder italienischer Produktion und es sollte 200 km/h erreichen. Die 200 km/h sind bei meiner geschäftlich bedingten Fahrweise – sehr lange Strecken, meist an einem Tag zu einem Interviewpartner und zurück in das zugegebenermaßen nicht sehr verkehrsgünstig gelegene Friedrichshafen – eine vernünftige Geschwindigkeit, da ich es dann mit 180, 190 auf der linken Spur laufen lassen kann, ohne den Motor ständig „am Anschlag“ zu fahren. Ein Besuch bei einem Händler des vernünftigsten Autos, das ich kenne – VW Golf – brachte mir die endgültige Bestätigung für den FIAT: Der 200km/h-fähige Golf hätte über 42.000 Mark gekostet, die barchetta um die 38.500. Inzwischen habe ich nach einem unverschuldeten Totalschaden die zweite barchetta und habe insgesamt etwa 120.000 km auf dem Typ „heruntergeschrubbt“. Seit November 2000 steht neben der Restaurationsruine meines Serie II-Spiders eine fahrfertige Serie I, so dass ich ganz frische Vergleichseindrücke habe.
Von den Karosseriemaßen her ist die barchetta der legitime Nachfolger des 850 Spider – kein Wunder, das Konzept des Wagens ist das gleiche: Man nehme eine Großserien-Bodengruppe – Im Fall der barchetta der Punto – und gebe diese an einen Karosseriebetrieb weiter – statt Bertone heute Maggiora. Dieser baut eine schnuckelige Karosserie drauf und ein etwas kräftigerer Motor sorgt für ansprechende Fahrleistungen. Die barchetta ist in Länge und Breite fast genau 13 cm größer, die Höhe des Daches ist nahezu gleich. Der Kofferraum der barchetta fällt durch den Frontmotor zum einen größer aus, zum anderen passt durch die gute Form erstaunlich viel rein. Optisch wirkt die barchetta bulliger, der 850er durch die langen Überhänge und die niedrigere Gürtellinie interessanterweise etwas länger und flacher.
Die Dachkonstruktion ist prinzipiell die selbe mit Klappe über dem geöffneten Dach und einen Stauraum hinter den Sitzen; dieser fällt jedoch wegen einer hochstehenden Strebe bei der barchetta wesentlich geringer aus. Sehr negativ: Bei aufgesetztem Hardtop bleibt das barchetta-Dach im Auto, was den Stauraum verkleinert und der geknickten Scheibe sicher nicht gut tut. Das Dach selbst ist bei beiden Typen eher ein Notdach, wobei die barchetta selbst in der Waschstraße bis auf ein, zwei Tropfen dicht ist – ein echter Fortschritt gegenüber dem 850er. Dafür punktet der 850er bei den Seitenscheiben: Durch die Trapezform der barchetta-Scheibe öffnet sich beim Herabfahren der Scheibe ein gleichmäßiger Spalt oben, vorn und hinten – Ein nicht so schlimmer Luftstrahl von vorn und ein ziemlich bösartiger von hinten sind die Folge. Da ich eigentlich gerne mit etwas geöffneter Scheibe fahre, habe ich heute regelmäßig einen „Zug“ an der linken Schulter, ähnlich einer recht unangenehmen Verspannung. Da die 850er-Scheibe vorn mit dem Dreiecksfenster abgeschlossen ist und hinten nahezu parallel nach unten läuft, ist dies beim älteren Modell kein Thema.
Steigt man von der barchetta in den 850er um, fällt als ersten die in Fahrtrichtung schräge Sitzhaltung auf, danach das großzügige Raumgefühl – und das bei meiner Größe von 1,90 Meter. In der barchetta „stecken“ Fahrer und Beifahrer sozusagen in zwei Aussparungen des Armaturenbretts, währen in der Serie I nur der Heizungskasten weit vorne unten den Fußraum optisch verkleinert; da die Füße des Fahrers sich buchstäblich auf der Vorderachse befinden, ragt der Radkasten in den Fußraum, was bewirkt, dass die Pedale nach rechts verschoben sind und man immer etwas schräg im Auto sitzt. Durch die schmalere A-Säule und das weiter nach hinten gezogene Seitenfenster ist der Eindruck im 850er optisch heller und lichter – dafür habe ich im Windschutzscheibenrahmen der barchetta einen Überrollbügel bei mir, was ja auch nicht zu verachten ist.
Die Fahrleistungen sind naturgemäß und der Zeit entsprechend nicht vergleichbar: 1,74 Liter Hubraum, 131 PS und 164 Nm Drehmoment gegen 0,84 Liter, 49 PS und 55 Nm sprechen eine deutliche Sprache. Hinzu kommt, dass die hydraulisch gesteuerte Phasenverstellung der Nockenwelle im barchetta etwa 90 Prozent des Drehmoments schon bei 2.000 Touren bereitstellt und bis 6.000 aufrechterhält. So zieht die barchetta aus jedem Gang und in jeder Situation ansprechend los, während beim „Spiderle“ der Drehzahlmesser das wichtigste Instrument ist.
Gott sei Dank hat FIAT bei der barchetta auf ein Kombiinstrument verzichtet und einzelne Zifferblätter eingebaut. Bedienschalter und Instrumente sind ergonomisch tadellos angeordnet. Das Armaturenbrett des 850er Spider ist eine Augenweide mit fünf Einzelinstrumenten und schönen Schalterchen. Der Schalthebel sieht sehr lang aus, was dazu führt, dass gnadenlose „Hobbytuner“ gerne zur Säge greifen und ihn kürzen; mit dem Effekt, dass der vorher direkt neben dem Lenkrad liegende Knopf im Fußraum verschwindet und schlecht zu bedienen ist. Die Schalensitze des 850 sind nur wenig verstellbar, aber bequem; das barchetta-Gestühl ist ebenso bequem und mit Leder- oder Stoffauflage etwas angenehmer als das pflegeleichte Kunstleder des 850ers.
Beim Umsteigen in den 850er ist man im ersten Augenblick enttäuscht, weil beim beherzten Tritt aufs Gaspedal in Bezug auf die Fortbewegung relativ wenig passiert – nach wenigen Metern ist dies jedoch vergessen. Leider hat man bei FIAT vergessen, wie ein Sportwagen zu klingen hat, und so brummelt der barchetta-Motor vor sich hin, wie dies im Punto wohl passender war. Übrigens verbessert sich dieser Eindruck, wenn man außen steht oder offen fährt: Für den Vorbeifahrenden bietet die barchetta eine recht sportliche Geräuschkulisse, und bei offenem Verdeck hört man das dumpfe Grummeln aus dem Auspuff besser. Der 850er indessen lässt den Fahrer nie im Ungewissen, wo der Motor steckt – durch die Lüftungsschlitze im Heck dringt ein raues, sportliches Geräusch. Je nach Auspuff – Ich besitze das Original, einen Abarth-Auspuff und eine völlig leere Gasentsorgungsanlage aus dem Rennsport – besteht dies aus einem heiseren Kreischen, einem dumpfen Böllern oder echter Rennatmosphäre; akustisch etwa 60, 100 oder 160 PS.
Im Vergleich zu meiner (mit Sportfedern tiefergelegten) barchetta ist das 850er-Fahrwerk aus heutiger Sicht nur „abenteuerlich“ zu nennen – die genannten dreißig Jahre Fortschritt zeigen sich hier am deutlichsten. 195/55er Schlappen auf 15-Zoll-Felgen – bescheuerterweise eine seltene und dementsprechend teure Reifengröße (Elchtest sei Dank ist die Situation besser geworden, seit die A-Klasse auf breitere Reifen gestellt wurde) – gegen 155er „Hochquerschnitt-Asphaltfräsen“ auf 13-Zoll-Rädchen, modernes Querlenkerfahrwerk gegen Blattfeder und Pendelachse – der 850er wirkt in diesem Bereich zumindest dem Augenschein nach antiquiert. Der kurze Radstand führt bei beiden Autos zu unangenehmen Schwankungen in Längsrichtung – der aus dem gleichen Grund bei hohen Geschwindigkeiten mangelhafte Geradeauslauf fällt bei der barchetta durch die höhere Geschwindigkeit und die sehr präzise Lenkung stärker auf und ist gewöhnungsbedürftig.
Die barchetta liegt in Kurven sehr gut und nahezu neutral bis in Bereiche, die man dann nicht mehr ausprobieren möchte. Genau das ist jedoch das Problem: Je nach Reifenfabrikat fängt die barchetta beim Überschreiten des Grenzbereiches an, undefinierbar zu „trudeln“ – dem anfänglichen leichten Untersteuern folgt ein Über/Untersteuern, das ziemlich unangenehm ist. Mit den Reifen der zweiten barchetta-Generation ist dies zum Glück weniger spürbar – es zieht einen eher vom Sitz als von der Straße. Der 850er bietet dagegen ein reichhaltiges Spektrum – vom Unter- zum kräftigen Übersteuern, „Quer-hoppeln“ der Hinterachse in unebenen Kurven bis zum schön kontrollierbaren Drift auf nasser Fahrbahn ist das Leben im Fahrwerk immer spürbar, aber mit etwas Routine beherrschbar.
Die Bremsanlage des 850ers ist im direkten Vergleich erstaunlich gut, verlangt allerdings mangels Servo-„Helferchen“ einen kräftigen Tritt. Die vier Scheibenbremsen der barchetta haben mit den 1.100 kg ebenso wenig Mühe wie Scheiben und Trommeln am 850er mit dessen 750 kg. Gewöhnungsbedürftig dagegen die Pedale im 850 Spider: ohne spitze italienische Schuhe hat man zumindest mit meiner Schuhgröße 45 wenig Chancen, immer nur ein Pedal zu erwischen.
Auch Verbrauch und Umweltverschmutzung sollten angesprochen werden – auch hier punktet die barchetta naturgemäß. Ich habe den Wagen auch bei schärfster Fahrweise nie über 9,5 Liter gebracht – für die gebotenen Fahrleistungen erstaunlich wenig. Der 850er-Motor pumpt bei geringeren Leistungen (meiner Erinnerung nach) etwa gleichviel durch den Vergaser. Dabei hat zumindest mein Motor beim TÜV einen erstaunlich geringen CO²-Ausstoß von 0,5% erreicht – so ganz eine „Dreckschleuder“ ist also auch der Kat-lose FIAT nicht. Die paar Kilometer, die das Auto gefahren wird, dürften die globale Klimakatastrophe nicht zum Ausbruch bringen.
Insgesamt schlägt sich der 850 Spider gegen die barchetta erstaunlich gut, und das sogar ohne den üblichen „Oldie-Bonus“. Mit beiden Autos wird man von „vernünftigen“ Menschen als etwas spinnert angesehen, nach dem Motto „Das ist doch kein richtiges Auto“. Stimmt – wenn man jede Woche einen Umzug macht und dauernd mit der Großfamilie unterwegs ist. Nimmt man jedoch die bei einem kleinen, zweisitzigen Cabrio unumgänglichen Einschränkungen in Kauf, sind beide Autos sehr „vernünftig“, zuverlässig und relativ preisgünstig in Kauf und Unterhalt. Da beide Autos auf erprobter Großserientechnik aufgebaut sind, sind sie auch im Winter absolut alltagstauglich, vor allem mit dem Hardtop.
Die Karosserie des 850ers ist dabei subjektiv sogar etwas besser – gefühlsmäßig (am Kopf tatsächlich) mehr Platz, tiefere Sitzposition und weniger Zug bei offener Scheibe. Die barchetta bietet mit zwei Airbags, Knautschzonen und Überrollbügel natürlich eine wesentlich höhere Sicherheit – Dreipunktgurte hat der 850er allerdings auch schon. Der 850 Spider lässt den Neuwagen beim Fahrgefühl allerdings schnell in den winzigen Rückspiegeln verschwinden: Eine Geräuschkulisse, die echtes Sportwagenfeeling bietet, ein sportliches Fahrwerk, das Spaß bereitet und das Gefühl, schon bei niedrigen Geschwindigkeiten schnell zu sein – ein echtes Spaßauto mit Alltagstauglichkeit.
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